In welchen Verhältnissen Menschen aufwachsen, welche materiellen, kulturellen und sozialen Ressourcen ihnen in ihrem Umfeld zur Verfügung gestellt werden, all das hat gemeinsam mit unausgewogenen Machtverhältnissen in der Gesellschaft Auswirkungen auf Bildungs- und Karrierewege. Forscherinnen der Universität Graz haben Lehr- und Lernmaterialien entwickelt, um insbesondere Lehramtsstudierende für dieses Thema zu sensibilisieren. „Wir möchten, dass zukünftige PädagogInnen zuerst einmal erkennen, wie sie mit ihrem eigenen Verhalten, beeinflusst durch ihre Biografie, soziale Ungleichheit weitertragen. Nur so können sie später einmal in der Klasse verinnerlichte Wahrnehmungs- und Handlungsmuster im Umgang mit SchülerInnen aufbrechen“, erklären die Projektmitarbeiterinnen Susanne Kink-Hampersberger, Iris Mendel und Lisa Scheer. Die erstellten Theorie- und Übungskarten sind als sogenannte Open Educational Resources online frei zugänglich und können somit auch von Lehrenden anderer Studienrichtungen oder in der Weiterbildung genutzt werden.
Während die Theoriekarten wissenschaftliche Konzepte und Begriffe erklären, mit Fragen zur Diskussion anregen und auf weiterführende Literatur verweisen, geben die Übungskarten Anleitungen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Person: Mit welchen Vorannahmen begegne ich den anderen? Was traue ich ihnen zu, welche Fähigkeiten spreche ich ihnen ab und warum? Wo sind meine blinden Flecken? Diese Selbstreflexion ist für die angehenden PädagogInnen ein erster Schritt, um zu verhindern, dass persönliche Muster später den Blick auf ihre SchülerInnen trüben.
„Die Studierenden sollen sich aber auch mit ihren eigenen Bildungserfahrungen auseinandersetzen und sie im Kontext ihrer sozialen Herkunft verstehen“, ergänzt Lisa Scheer. Welchen Barrieren bin ich bisher begegnet? Wie zeigen sich meine Privilegien? Was bedeutet es für mich, an der Universität zu studieren? Wo würde ich mir Unterstützung wünschen? „Dabei wird ihnen bewusst werden, dass soziale Selektion bereits sehr früh beginnt und sich auch Strukturen verändern müssen, damit Kindergarten, Schule und Universität wirklich Orte der Chancengleichheit werden können“, betont die Soziologin. „Diese Erkenntnis ist wichtig und bringt Entlastung, denn sie macht deutlich, dass es nicht nur in der Verantwortung der PädagogInnen liegt, inklusive und faire Lernräume zu schaffen“, so Scheer.
„Das Projekt Habitus.Macht.Bildung ist ein wichtiger Puzzlestein zur Förderung der sozialen Dimension in der Lehre, wie sie in den Bologna-Zielen des europäischen Hochschulraums verankert ist“, unterstreicht Gudrun Salmhofer, Leiterin der Lehr- und Studienservices an der Universität Graz dessen Bedeutung. Und über die Schulen tragen die zukünftigen PädagogInnen das Thema Chancengleichheit weiter hinein in die Gesellschaft.