Rund Dreiviertel der Eltern von Kleinkindern sind durch Lockdowns und geschlossene Betreuungseinrichtung stark belastet, und viele beobachten pandemiebedingte Veränderungen an ihrem Nachwuchs. Das ist ein alarmierendes Ergebnis einer großangelegten Kooperationsstudie der Universität Graz und der Klinik für Pädiatrie Berlin, für die knapp 17.000 Familien und mehr als 3.600 LeiterInnen von Kindergärten und -krippen aus dem gesamten deutschen Sprachraum befragt wurden.
Besonders gravierende psychische und zum Teil auch finanzielle Folgen hatte das Wegfallen der professionellen Betreuung für Eltern im Homeoffice, da die Doppelbelastung im Regelfall nicht zu stemmen war. Sie mussten die Arbeit in die Nacht verlegen, Stunden reduzieren oder gar den Job kündigen. „Dazu kommt die Sorge um die Entwicklung der Kinder durch fehlende Anregung, mangelnde Sozialkontakte und die angespannte Situation in der Familie“, schildert Catherine Walter-Laager von der Forscherinnen-Gruppe für Elementarpädagogik an der Universität Graz. Weit über tausend Befragte gaben außerdem an, dass sich die Monotonie und die fehlenden Freunde negativ auswirkten. Hunderte Familien bemerkten bei zunehmender Länge oder Häufung von Lockdowns psychische und emotionale Veränderungen bei ihren Kindern – etwa Gereiztheit, Lustlosigkeit und Traurigkeit.
Sowohl die StudienteilnehmerInnen als auch die ExpertInnen pochen auf die Bedeutung der Krippen und Kindergärten: Die Gleichaltrigen sowie das pädagogische Personal sind wichtige Bezugspersonen, und die vielen zusätzlichen Erfahrungen, die die Kleinen dort sammeln, können in einem Corona-Alltag zu Hause nicht wettgemacht werden. Stabile soziale Netzwerke und vielfältige Lern- und Spielmöglichkeiten sind unerlässlich, damit sich die Jüngsten gut entwickeln. „Daher ist es wichtig, dass die Einrichtungen unter Einhaltung bekannter Sicherheitskonzepte geöffnet bleiben und der Betrieb möglichst gewohnt ablaufen kann. Das unterstützt auch das psychische Wohlbefinden“, betont Walter-Laager. Zu den wirkungsvollen Schutzmaßnahmen zählen etwa fixe Gruppen mit festen Betreuungspersonen, reichliches Lüften und Maskentragen bei Kontakten von Erwachsenen außerhalb der Gruppen.
Die Studie wurde vom Internationalen Zentrum für Professionalisierung der Elementarpädagogik der Universität Graz mit Standorten in Österreich und Deutschland und der Berliner Klinik für Pädiatrie von Jänner bis März 2021 durchgeführt und untersuchte die Auswirkungen der zweiten Welle ab August 2020. In diesem Zeitraum gab es in etwa vier Prozent der Familien und in der Hälfte der Betreuungseinrichtungen zumindest einen Covid-Fall.