Forscher des Instituts für Geographie und Raumforschung der Universität Graz messen seit vielen Jahren die Veränderungen des Eises an der Pasterze, dem größten österreichischen Gletscher, um dessen langfristiges Abschmelzen zu dokumentieren. In einer soeben im renommierten Journal „Earth Surface Processes and Landforms“ erschienenen Publikation beschreiben die Geographen den rapiden Zerfall der Gletscherzunge zwischen 1998 und 2012. Messungen zeigen, dass das Eis allein in diesem Zeitraum fast 75 Meter eingesunken ist und immer stärker von Geröll bedeckt wird. „In ein paar Jahrzehnten wird von der Gletscherzunge nur mehr ein schuttbedeckter Eisrest bleiben“, sagt Andreas Kellerer-Pirklbauer, Erstautor der aktuellen Publikation.
Im Mittelpunkt der Beobachtungen standen die Entwicklung der Gletscherspalten, die Abschmelzung sowie der Einfluss des Schmelzwassers auf den Eiszerfall. „Unsere Messungen machen deutlich, dass die Neubildung von Spalten mehr mit dem Zerfall als mit der Bewegung des Gletschers zu tun hat“, berichtet Kellerer-Pirklbauer. „In den 14 Jahren des Untersuchungszeitraums ist die Gletscherzunge um 25 Prozent kleiner geworden und der See davor stark angewachsen. Gleichzeitig hat die Geschwindigkeit des Eiszuflusses von den höheren Bereichen – also auch aus den Karen unterhalb des Großglockners – rasant abgenommen.“ Dass sich die Gletscherspaltendichte zwischen 1998 und 2012 verdoppelt hat, sei ein weiteres Zeichen dafür, dass die Pasterze langsam zerfällt.“
Neben dem an der Oberfläche sichtbaren Eis ist auch das sogenannte „Toteis“, das von Schutt bedeckt noch im Untergrund vorhanden, aber nicht mehr mit dem Gletscher verbunden ist, von großem Interesse. Seit September 2018 leitet Kellerer-Pirklbauer ein vom Glockner-Öko-Fonds gefördertes Forschungsprojekt mit dem Ziel, Toteisvorkommen im Gletschervorfeld zu quantifizieren und deren Entwicklung zu beobachten. „Auch das verborgene Eis nimmt rasant ab. Beschleunigt wird der Prozess durch das Einfließen von Schmelzwasser aus dem gesamten Einzugsgebiet“, erklärt der Geograph. Löst sich Eis aus der Sohle des Sees, taucht es häufig in Form von Eisbergen auf – ein faszinierendes Naturereignis.
Andreas Kellerer-Pirklbauer ist Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Alpine Landschaftsdynamik (ALADYN). Er und sein Kollege Gerhard Lieb leiten auch ehrenamtlich den Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins.
Publikation
The evolution of brittle and ductile structures at the surface of a partly debris-covered, rapidly thinning and slowly moving glacier in 1998-2012 (Pasterze Glacier, Austria)
Andreas Kellerer-Pirklbauer, Bernd Kulmer
„Earth Surface Processes and Landforms“, November 2018
https://doi.org/10.1002/esp.4552