Was halten wir für gutes Essen? Wie verändert sich die Versorgung mit Lebensmitteln? Von wem werden sie wie produziert und welche Konsequenzen hat unserer Ernährung für die Umwelt? Mit diesen und verwandten Fragen befassen sich die Agro-Food Studies. In den 1980er-Jahren im anglo-amerikanischen Raum entstanden, sind sie hierzulande noch nicht als eigenständiger Forschungsbereich verankert. Nun legen vier an österreichischen Universitäten tätige WissenschafterInnen, unter ihnen Univ.-Prof. Dr. Ulrich Ermann vom Institut für Geographie und Raumforschung der Uni Graz, die erste deutschsprachige Einführung in die Agro-Food Studies vor.
Während Konzepte und Theorien der Haushalts- und Ernährungs- wie auch der Agrarwissenschaften entweder naturwissenschaftlich, wirtschaftswissenschaftlich oder technisch orientiert sind, legen die Agro-Food Studies Wert auf eine ganzheitliche, interdisziplinäre Betrachtung. Aus einer vorwiegend sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive bringen sie die Themenbereiche Nahrungsmittelproduktion und -konsum zusammen und schließen damit eine Lücke.
In den Agro-Food Studies werden die Grenzen zwischen den Betrachtungsweisen der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen aufgebrochen. „Auf diese Weise lassen sich Verbindungen zwischen Vorgängen in der Natur, technischen Entwicklungen, wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie gesellschaftlichen Interaktionen aufzeigen“, erklärt Ulrich Ermann, Professor für Humangeographie an der Universität Graz und einer der Autoren der kürzlich erschienenen Publikation. Diese richtet sich an Studierende, aber auch an AkteurInnen der Zivilgesellschaft sowie Interessierte in Wirtschaft und Politik.
Ulrich Ermann, der Historiker Ernst Langthaler (Uni Linz), die Nachhaltigkeitsforscherin Marianne Penker (Universität für Bodenkultur Wien) und der Soziologe Markus Schermer (Uni Innsbruck) fassen darin die Forschungen zu Nahrungsmittelproduktion und -konsum aus dem deutschen Sprachraum sowie die Rezeption der englischsprachigen Basisliteratur zusammen, ergänzt durch eigene Ideen und Interpretationen. Die AutorInnen stellen traditionelle Denkmuster in Frage, indem sie vermeintlich Gegensätzliches, wie etwa Produktion und Konsum, Globalisierung und Regionalisierung oder Natur und Technik miteinander in Verbindung bringen und Zusammenhänge neu denken.
Für den deutschsprachigen Raum ist die vorliegende Publikation auch deshalb von Bedeutung, weil sie, in Ergänzung zur englischen Basisliteratur, die sich vor allem auf die Situation der Lebensmittelversorgung und Ernährung in Nordamerika und dem Vereinigten Königreich bezieht, neue Blickwinkel einbringt. Diese konzentrieren sich nicht ausschließlich auf Europa, sondern umfassen unter anderem auch die Perspektive der Länder des Globalen Südens.
Das Buch ist ohne fachspezifisches Vorwissen lesbar, zahlreiche Verweise auf einschlägige Literatur laden zur weiteren Vertiefung ein. Es bringt den LeserInnen die wichtigsten Perspektiven nahe und regt gleichzeitig zum Neu-Denken an.