Ist bei der Erzeugung eines Produkts Kinderarbeit im Spiel? Wie lang sind die Transportwege von der Fabrik bis zu den Endverbraucher:innen? Wie hoch ist der Energieverbrauch? Und was geschieht, wenn das Ding kaputt geht? Lässt es sich reparieren oder zumindest in Teilen wiederverwenden? All diese Fragen sind relevant, will man die Nachhaltigkeit eines Produkts bewerten. „Mit Hilfe digitaler Technologien können Informationen zu all diesen Aspekten gesammelt und ausgewertet werden, von der Rohstoffförderung bis zum Recycling“, sagt Magdalena Rusch. Sie hat in ihrer Dissertation am Institut für Umweltsystemwissenschaften der Uni Graz untersucht, wie sich das Potenzial der Digitalisierung zur Unterstützung von nachhaltigem Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft nutzen lässt.
Beispiel Batterie
„Vor allem bei komplexen Erzeugnissen wie etwa einer Autobatterie sind detaillierte Informationen, die digital gespeichert und über den gesamten Produktlebenszyklus weitergegeben werden können, von Bedeutung“, sagt Rusch. Für solche Zwecke würden sich Blockchain-Technologien besonders gut eignen. Sie bieten die Möglichkeit, wie in ein digitales Kassabuch sämtliche Informationen einzuspielen – vom Rohstoffabbau bis zur Entsorgung. Diese lassen sich dann nicht mehr so einfach verändern. „Das macht eine Blockchain zu einer vertrauenswürdigen Datenquelle“, so die Forscherin.
Unter Big Data sind große Datenmengen zu verstehen, die zum Beispiel mit Hilfe von Sensoren in der Batterie gesammelt werden können: über Ladezyklen oder die Temperatur im Inneren. „Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich daraus verschiedene Muster ablesen. Wenn die Batterie zu schnell oder zu lange geladen wird, kann sie an Gesundheit verlieren. Nach fünf Jahren wäre es dann möglich zu prüfen, ob sie noch weiterverwendet werden kann oder das Sicherheitsrisiko bereits zu hoch ist und man sie vielleicht anderweitig als Speicher nutzen könnte“, führt Rusch aus. All diese Informationen liefern eine solide Basis für die Nachhaltigkeitsbewertung sowie für weitere Verbesserungen eines Produkts.
Verständnis fördern
Derzeit haben Betriebe dieses Thema allerdings noch kaum am Schirm. Rusch befragte im Rahmen ihrer Forschung Nachhaltigkeitsmanager:innen und CEOs von mehr als 130 österreichischen produzierenden Unternehmen. Das Ergebnis der Interviews: „Digitalisierung und Nachhaltigkeitsmanagement sind noch zwei getrennte Welten, die erst verbunden werden müssen“, fasst die Wissenschaftlerin zusammen. Abgesehen von E-Mails und Excel-Tabellen werde bislang kaum Software eingesetzt, um gezielt Nachhaltigkeitsdaten zu erheben.
„Das Problem beginnt damit, dass Unternehmen gar nicht wissen, welche Daten sie überhaupt sammeln sollen“, bringt es Rusch auf den Punkt. „Sie fangen gerade erst einmal an, ein Verständnis für Digitalisierung und Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen, etwa indem sie E-Learning-Kurse für Mitarbeiter:innen anbieten“, so die Forscherin. Das sei auch höchste Zeit: „Demnächst wird die Corporate Sustainability Reporting Directive, eine neue Richtlinie der EU, den Unternehmen entsprechende Berichtspflichten auferlegen, etwa festzuhalten, viel CO2 in einem Produktionsprozess anfällt.“
Magdalena Rusch‘ Dissertation „The potential of digital technologies as enablers for sustainable product management in a circular economy“ ist Teil der Forschung im Christian-Doppler-Labor für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft an der Uni Graz. Betreut wurde die Arbeit von Rupert Baumgartner und Romana Rauter.
Hans-Roth-Umweltpreis
Ziel der Auszeichnung, die von der Firma Saubermacher vergeben wird, ist der Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Technik, um den Umweltschutz zu fördern und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft weiterzudenken und voranzutreiben. Besonderer Wert wird auf den Innovationsgehalt, die Originalität der Ansätze und ihre Praktikabilität für den täglichen Einsatz gelegt.