Das internationale Zentrum für Professionalisierung der Elementarpädagogik (PEP) wurde 2020 gegründet, 2021 dann der Standort in Berlin eröffnet. Wo sehen Sie den Mehrwert dieser grenzüberschreitenden Einrichtung?
Catherine Walter-Laager: In Deutschland besteht eine jahrzehntelange Tradition universitärer Bildung im Frühkindbereich, sowohl in der ehemaligen DDR als auch in der BRD. Es gab schon vor 30 Jahren Professuren an mehreren Universitäten, wo Forschung betrieben und Nachwuchs ausgebildet wurde. Und gerade Berlin hat nach dem Fall der Mauer an der Schnittstelle zwischen West und Ost eine besondere Rolle eingenommen. Hierzulande hat man erst ab den 2010er-Jahren begonnen, sich aus akademischer Sicht mit dem Thema zu beschäftigen. Das heißt, wir können jetzt vom Know-how in Deutschland profitieren.
Ist das Thema Frühkindpädagogik also bei uns tatsächlich angekommen?
Walter-Laager: Ich glaube nicht, dass man die Zeit zurückdrehen kann, sondern dass es wirklich der Beginn einer neuen Entwicklung ist. Mittlerweile haben wir rund 200 Masterstudierende, die ein Netzwerk über ganz Österreich bilden. Sie arbeiten zum Teil schon in Schlüsselpositionen oder werden als junge Kolleg:innen in solche hineinwachsen.
Hat die Universität Graz die Themenführerschaft übernommen?
Walter-Laager: Absolut. Martin Polaschek hat schon in seinen Funktionen als Vizerektor und Rektor den Schwerpunkt Elementarpädagogik im Masterstudium verankert und damit natürlich Nachwuchs ermöglicht überhaupt.
Was zeichnet den Standort Berlin besonders aus?
Walter-Laager: Neben den hervorragenden Wissenschaftler:innen in Graz haben wir sehr kompetente Kolleg:innen in Deutschland. Sie setzen sich damit auseinander, wie vor dem familiären oder gesellschaftlichen Hintergrund Familien und damit Kinderbetreuung und Bildung gedacht werden. Im Zentrum nützen wir diese Sichtweisen und bilden eine sehr schlagkräftige Gruppe mit insgesamt 50 Mitarbeiter:innen. Damit sind wir die größte universitäre Einrichtung im deutschsprachigen Raum. Das PEP unterstützt aktuell fast 20.000 Kinderbetreuungseinrichtungen.
Als Vizerektorin für Studium und Lehre ist Ihnen den Umgang mit künstlicher Intelligenz ein wichtiges Anliegen. Spielt das Thema auch in der Elementarpädagogik eine Rolle?
Walter-Laager: Ja, denn künstliche Intelligenz ist ein Game-Changer, der uns länger beschäftigen wird. Wir wollen die Menschen in allen Arbeitsfeldern begleiten und das Thema vorausdenken, vorantreiben und Lösungen für Probleme, die digitale Technologien mit sich bringen, mitdenken. Speziell das PEP bietet viele offene Bildungsressourcen, die Wissen multiplizierbar macht.
Wo sehen Sie im Bereich der Elementarpädagogik die größte Herausforderung in der nahen Zukunft?
Walter-Laager: Der Fachkräftemangel ist enorm groß und wird in den nächsten Jahren noch zunehmen. Und das sowohl bei der Betreuung der Kinder als auch auf der Ebene der Ausbildung, Forschung und Entwicklung. Um dem entgegenzuwirken, tun wir bereits viel. Zum Beispiel mit dem Universitätslehrgang Elementar plus (https://www.uniforlife.at/de/elementar-plus/). Aber allein können wir es nicht stemmen. Es sind alle Player wichtig, darunter die Bildungsanstalten für Elementarpädagogik, die Pädagogischen Hochschulen sowie die universitären Studien.
Das Programm der neuen Regierung sieht ja einen Ausbau der Elementarpädagogik vor. Stimmt Sie das zuversichtlich?
Walter-Laager: Vieles wird von der konkreten Umsetzung abhängen. Es braucht Geld, aber auch das Bewusstsein, dass diese frühe Lebensphase die prägende ist. Mit der Covid-Pandemie haben wir außerdem als Krisenexperiment erlebt, dass frühkindliche Bildung quasi eine kritische Infrastruktur für Familien darstellen kann. Es ist entscheidend, dass Eltern das Familienleben individuell gestalten und ihre berufliche Identität behalten können, in welchem Umfang auch immer. Das hat ebenso für die Wirtschaft eine hohe Relevanz, damit wichtige, erfahrene, aber noch junge Menschen im Arbeitsfeld bleiben.
Puzzlesteine für Elementarpädagogik
Zur Förderung der Elementarpädagogik hat die Uni Graz kürzlich eine Förder-Initiative gestartet. Mit einem „Puzzlestein“ können alle Interessierten exzellente Forschung und Praxis, die sich ganz den Kleinsten widmet, unterstützen. ⇒ mehr erfahrenIP